Duell im Duett: "Frau Kapital und Dr. Marx"
Am Sonntagabend, 7. Oktober 2018, hat die Katholische Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) Trier in der Tuchfabrik (TUFA) das Musiktheaterspiel "Frau Kapital und Dr. Marx" aufführen lassen.
Wie gehen sinnliches Vergnügen und intellektuelle Aufklärung bei der Kritik des Kapitalismus zusammen? Es geht so, dass Frau Kapital im weißen Pelzmantel, mit Goldkette und dunkler Sonnenbrille geschmückt, unverhofft mit Herrn Dr. Marx im grauen Herrenanzug, Zigarre rauchend und vortragend, bei einer Veranstaltung mit mehr als 50 Personen im Saal auf der Bühne zusammentrifft und jeder dem anderen bescheinigt, auf der falschen Veranstaltung zu sein.
Darüber kommen die beiden in einen produktiven Streit über das, was die Funktion und das Wesen des Kapitals und seine Entwicklung von der Frühzeit bis heute ausmacht. Dabei versucht Marx, Frau Kapital den Unterschied zwischen Produktentausch und Warentausch, zwischen Tauschwert und Gebrauchswert, zwischen Wert und Preis der Ware und dem Wert der Arbeitskraft und dem aus ihr erzeugten Mehrwert klar zu machen.
Aber Frau Kapital – Vertreterin ihrer Klasse – findet allerlei Ausreden und Listen, die Ausbeutung der Arbeitskraft sich und den Zuhörern zu verschleiern. Aller Gewinn sei von ihr organisiert und die Anhäufung von Reichtum allein auf ihre Leistung zurück zu führen, weshalb er sich ganz natürlich bei ihr ansammele. Im Übrigen sei das die verdiente Entschädigung für ihr unternehmerisches Risiko.
Solchen Ausflüchten begegnet Marx mit der Befragung eines Kronzeugen der Ausbeutung, eines mit schwarzer Cordhose und „Batschkapp“ bekleideten Arbeiters, der gekonnt das Piano bearbeitet und die Melodien zum Wettstreit zwischen den beiden Klassenantagonisten produziert.
Hierbei steigern sich die verbalen Duelle des Öfteren zu lautstarken Duetten, in denen die konträren Ansichten der Beiden hörbar zum Ausdruck kommen.
Aber nach und nach muss Frau Kapital erkennen, dass ihr Tun vor dem Hintergrund der Konkurrenz und des tendenziellen Falls der Profitrate auf lange Sicht nur zum Untergang des Kapitals, also auch zu ihrem eigenen, führt.
So gerät Frau Kapital in eine Sinnkrise, die sie auf ein Sofa sinken und an sich selbst verzweifeln lässt.
Die „Gunst der Minute“ nutzend, nimmt Dr. Marx in einem Sessel neben der Couch Platz und verhilft Frau Kapital durch Befragung ihrer Vorgeschichte zu einer Art Katharsis, einer seelischen Läuterung. Dabei taucht die Erinnerung an ihre Kindheit in Gestalt von blökenden Schafen auf Weiden auf, die vormals Äcker freier Bauern waren, die man mit Gewalt und List von ihrem Boden vertrieben hatte. Damit erinnerte Dr. Marx alias Dr. Freud, an die „ursprüngliche Akkumulation“, die große Enteignung des 15. - 17. Jahrhunderts in England, die in den „Annalen der Menschheit eingeschrieben ist mit Zügen von Blut und Feuer.“
Solchermaßen an ihre Ursünde erinnert und zur Selbstbesinnung gekommen, verwandelt sich Frau Kapital unter einem roten Zaubertuch zu einer befreiten, solidarischen Arbeiterin, die mit dem Kapital ihre eigene Klasse und damit auch die Klasse der Lohnarbeiter*innen aufhebt. Das war das gute Ende einer furiosen Kapital-Revue, die in einem 100-minütigen Akt die wesentlichen Elemente der Marx‘schen Kritik mitreißend und erhellend auf die Bühne des kleinen Saals der Trierer Tufa brachte. Ein starker Impuls, der einen Gutteil der Zuhörerinnen und Zuhörer dazu bewegte, noch eine ganze Stunde mit der Schauspieltruppe und untereinander zu diskutieren: Kann es mit dem Kapitalismus tatsächlich ein gutes Ende nehmen? Wer kann dafür sorgen? Was können die Gewerkschaften, aber auch die Kirchen und der Glaube dazu beitragen? Wie stehen überhaupt Glaube und Materialismus, Bibel und Marx‘sche Kritik zueinander? Gewinnen antidemokratische „Lösungen“ die Oberhand oder steht gar eine „Revolution“ von rechts bevor? Warum fehlt es an wirklich emanzipatorischen Entwürfen und Utopien?
Zum Schluss waren sich die Besucherinnen und Besucher sowie die Veranstalterin einig darin, dass das Marx-Musiktheaterspiel aus Berlin zur Bearbeitung und Beantwortung dieser Fragen viele Erkenntnisse und Anregungen mitgebracht hatte. So zollten sie den Akteuren und der Akteurin, Christa Weber als Schauspielerin und Sängerin, Raiko Hannemann als Dr. Marx und Martin Orth als Pianist sowie Christof Herzog, der die Musik komponiert hat, großes Lob und Anerkennung und spendeten reichlich Applaus.
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