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Redebeitrag zur Corona-Demo in Trier

Am 16.11. fand in Trier eine Demo von Corona-Leugnern statt, bei der unsere Diözesanvorsitzende Nicola Rosendahl den folgenden Redebeitrag vortrug:

Freiheitsboten, Querdenken, Widerstand 2020, Corona-Rebellen – alles unterschiedliche Namen für Gruppen die vorgeben, es ginge ihnen um eine Kritik an den staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona Pandemie.

Tatsächlich sind es aber gerade diese Gruppen, die eine notwendige und sinnvolle Diskussion über die jeweiligen Maßnahmen eher erschweren und teilweise sogar verunmöglichen.  

Wenn es Gruppen gibt, die jede kritische Aussage in diesem Kontext, mit absurdesten Verschwörungserzählungen kombinieren, bringt das Menschen die an einem sachlichen Diskurs interessiert sind, auf Dauer zum Verstummen. 

Denn bei Verschwörungserzählungen geht es gerade nicht um das kritische Hinterfragen von Sachverhalten oder den Blick auf ungerechte gesellschaftliche Strukturen. Es wird nicht nach Erklärungen für Missstände gesucht, sondern nach Schuldigen.  

Das komplexe Weltgeschehen und alle negativen Entwicklungen und Ereignisse werden auf klar bestimmbare „böse Mächte“ zurückgeführt. Und in den meisten Fällen läuft es am Ende immer auf eine angebliche „jüdische Weltverschwörung“ hinaus. Deswegen sind Verschwörungserzählungen auch strukturell antisemitisch.  

Ein Beispiel ist der Verschwörungsmythos vom angeblichen „großen Bevölkerungsaustausch“. Jede Migrationsbewegung ist, nach dieser Logik, von angeblichen „Eliten“ gesteuert, um das „eigene Volk“ gegen ein anderes, leichter zu kontrollierendes auszutauschen.  

Bereits nach dem Zweiten Weltkrieg gab es unter Rechtsextremen die Vorstellung, dass Europa durch Zuwanderung aus afrikanischen Ländern kolonialisiert werden solle. Offen antisemitisch wurden als Drahtzieher:innen dieses Plans jüdische Interessen- und Machtzirkel beschuldigt.  

Selbst der Feminismus wird in dieser Erzählung zur Erfindung einer angeblichen jüdischen Finanzelite, mit dem weiße Frauen davon abgehalten werden sollen, Kinder zu bekommen um so den großen Austausch zu beschleunigen.  

Wer also von Neuer Weltordnung, Zwangsimpfung, Kulturmarxismus und Großem Austausch faselt ist kein besorgter Bürger mit einem berechtigten Anliegen, sondern verbreitet eine Ideologie, die der Nährboden für Anschläge wie in Utoya, Christchurch, Halle und Hanau war.  

Denn es geht hier, wie häufig bei der Strategie rechter Diskursverschiebung, um die Inszenierung einer gigantischen Bedrohung, mit der jedes Gegenmittel als vermeintliche Notwehr gerechtfertigt werden kann. Zu dieser Strategie passt die unzulässige Komplexitätsreduktion von Verschwörungstheorien ganz ausgezeichnet.  

Auch die Aneignung von Begriffen, die im wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Diskurs eigentlich eine andere Bedeutung haben, ist Teil dieser Strategie. Dies erleben wir schon seit einigen Jahren im autoritären rechten Diskurs, wenn es um Begriffe wie Meinungsfreiheit, Ideologie, Eliten und Establishment oder Demokratie geht.  

So wird Meinungsfreiheit und Widerspruchsfreiheit bewusst verwechselt. Alle Aussagen, die in das eigene Weltbild passen, sind dabei Ausdruck von Meinungsfreiheit, auch dann, wenn diese Aussagen gegen geltendes Recht oder Menschenrechte verstoßen. Die Kritik an solchen Aussagen wird aber nicht als Ausdruck von Meinungsfreiheit gewertet, sondern als angebliche Einschränkung der eigenen Meinungsfreiheit diffamiert. Jeder Widerspruch bietet dann die Möglichkeit zur eigenen Inszenierung als angebliches Opfer von Ausgrenzung und Meinungsdiktatur. Am Ende wird aus diesem Ruf nach Meinungsfreiheit, der Ruf nach Zensur: Es ist verboten, den rechten Agitator*innen zu widersprechen.  

Wer Verschwörungsgläubige auf Widersprüche in ihrer Argumentation hinweist, bekommt häufig zu hören: „Google doch selber“. Auch dies ist Teil einer Strategie. Niemand kann alle Fakten, zu allen Themen die uns betreffen selber recherchieren und überprüfen. Dafür ist unsere Welt tatsächlich zu komplex. Wir brauchen also Instanzen, die das vorhandene Wissen für uns strukturieren und zusammenfassen. Wissenschaft ist eine solche Instanz. Natürlich ist es sinnvoll, auch hier kritisch zu sein und tatsächliche Machtinteressen und Abhängigkeiten zu berücksichtigen. Dies ist z.B. die Aufgabe von Medien.

Autoritäre Agitation versucht nun das Vertrauen in diese Instanzen komplett zu zerstören. Wissenschaft ist hier immer von den Eliten gesteuert. Alles wird zur „gefühlten Wahrheit“ und kann immer auch ganz anders sein. Medien werden zur angeblichen Lügenpresse. Dies verhindert gelingende Selbst- und Weltbezüge und führt zu einer Neurotisierung der Gesellschaft. Sinnvolle unaufgeregte gesellschaftliche Debatten werden immer schwieriger.  

Dieser Neurotisierung sollten wir unseren entschiedenen Kampf für eine weitere tatsächliche Demokratisierung der Gesellschaft entgegensetzen.  

Emanzipation ist nämlich nicht, wie von der der autoritären Rechten gerne behauptet ein linkes Eliteprojekt. Emanzipation ist eine demokratische Notwendigkeit. Eine auf den universellen Menschenrechten basierende demokratische Gesellschaft kann Minderheiten gesellschaftliche Teilhabe nicht aus Sorge davor vorenthalten, dass jeder gesellschaftliche Wandel manche Menschen überfordert und sich diese radikalisieren könnten. Es mag sein, dass manche von der Komplexität der Welt überfordert sind, aber deswegen können wir den Einsatz für Emanzipation und Selbstbestimmung doch nicht aufgeben. Rechte Agitator*innen behaupten gerne, die Welt wäre in Wirklichkeit doch ganz einfach. Für sie wird die Welt nur dadurch kompliziert, weil Antirassist*innen, Gender-Aktivist*innen, Universalist*innen usw. auf ihren angeblichen Sonderperspektiven und -standpunkten beharren. Aber die Welt ist nun einmal tatsächlich komplex.  

Als Gesellschaft sollten wir aber auch darüber nachdenken, warum die autoritären Angebote für viele so attraktiv sind.  

„Die alleinige Verteidigung des Status quo wird als Abwehrstrategie fehlgehen, wenn nicht erkannt wird, dass die rechte Renaissance ihrerseits ein Resultat ebenjenes Status quo ist.“ So formuliert es Volker Weiß in seinem Nachwort zu Adornos Vortrag über die „Aspekte des neuen Rechtsradikalismus“.  

Wer sich der rechtsextremen Bedrohung konsequent entgegenstellen will, muss sich daher auch der Frage stellen, wie Strukturen geschaffen werden können, die niemandem mehr das zum Leben Notwendige vorenthalten und das weltweit.  

Das Imaginieren von nicht vorhandenen Verschwörungen und die Projektion auf angeblich Schuldige ist gerade nicht das Erwachen aus dem Schlaf oder der Blick hinter den Vorhang. Es ist im Gegenteil, dass besonders feste Verschließen der Augen vor den Funktionsweisen des irrationalen Systems, dass wir alle täglich reproduzieren.  

Deswegen sind wir als Katholische Arbeitnehmer:innen Bewegung dankbar, dass es Vereine wie „Für ein buntes Trier, gemeinsam gegen Rechts“ gibt, die immer wieder Menschen aus vielen unterschiedlichen zivilgesellschaftlichen Gruppen miteinander ins Gespräch bringen. Nur so können wir konstruktiv und emanzipatorisch die bestehenden Herausforderungen angehen.  

Vielen Dank, dass Sie und ihr dieses Anliegen durch eure Teilnahme bei dieser Kundgebung heute unterstützt.    

Nicola Rosendahl, Diözesanvorsitzende der KAB Trier

Foto: Max Gerlach

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